Felicia Ullrich
„Irgendwie war ich das schwarze Schaf in der Familie“
– das ist ein Zitat aus dem Mund einer erfolgreichen Geschäftsfrau, die heute für ein Solinger Familienunternehmen in der 4. Generation Verantwortung trägt! Vor 125 Jahren erfolgte die Firmengründung durch den Urgroßvater unserer Preisträgerin. Rund 30 Jahre nach dieser Gründung trat der Großvater in die urgroßväterlichen Fußstapfen. Während des 2. Weltkriegs zog dieser es vor, die Materialbestände der Firma lieber im Keller zu verstecken, um nicht für die Nazis produzieren zu müssen. Er führte die Firma nach Kriegsende weiter, bis sein Sohn sie 1963 übernahm.
Dieser erweiterte das Unternehmen durch die Gründung eines zweiten Geschäftsbereichs. Und mit seiner Ehefrau gründete er zugleich auch eine Familie – mit zwei Töchtern, auf die er mächtig stolz war.
„Er war einfach ein Vater für Töchter“, meint die Zweitgeborene, also unsere Preisträgerin.
Dass sie die Tradition des Familienunternehmens fortsetzen, das Unternehmen weiterentwickeln und auch ins digitale Geschäft eingesteigen würden, war allerdings längere Zeit nicht auf der Agenda der Schwestern, auch wenn Beide mit einem BWL-Studium beste Voraussetzungen dafür bieten würden. Die Ältere gab zunächst Familie und Kindern eine Priorität. Und die Jüngere, also unsere Preisträgerin, startete mit einer Ausbildung im Hotelfach. Auch wenn sie bald merkte, dass das nicht ihr Weg war, will sie heute diese Zeit nicht missen – und das nicht nur, weil der Ausflug in die Gastronomie ihr als Nebenjob im Studium gelegen kam. So machte sie gleich auch spezifische Erfahrungen mit männlichen Gästen, was ihr später half, sich in einer männlich dominierten Geschäftswelt zu behaupten. Unsere Solingerin entschied sich dann für eine Banklehre und anschließend für ein BWL-Studium in Berlin – aber immer noch ohne das Familienunternehmen im Sinn zu haben.
Nach dem Studium und einigen Berufsjahren ließ sie sich von ihren Eltern schließlich doch zum Einstieg in die Firma überreden, was sie mit Elan, Kompetenz und Kreativität in Angriff nahm. Dem Unternehmen gab sie gleich auch die besonderen Schwerpunkte Digitalisierung und Ausbildungsmanagement, für die sie bis heute brennt. Ihr berufliches Engagement konnte sie bestens mit dem Familienleben in Einklang bringen – wobei sie versichert, dass für sie, für den Ehemann und die beiden Söhnen typisch männliche oder typisch weibliche Rollenzuweisungen nie ein ernsthaftes Thema gewesen seien. Im Unternehmen präsentiert sie sich gemeinsam mit ihrem Ehemann und ihrer Schwester als verantwortliches Führungstrio.
Wir wollen hier nicht im Einzelnen auf die beruflichen Aktivitäten unserer Solingerin eingehen, zumal die Preise, die sie und ihr Unternehmen inzwischen erhalten haben, für sich sprechen.
- So ist sie Siegerin des Wettbewerbs „Frauen mit Profil 2019“ in der Kategorie „vorbildhafte Unternehmerin“.
- Zu nennen ist weiterhin ein Preis der IHK als familienfreundliches Unternehmen im Bergischen Städtedreieck.
- In Sachen „Nachhaltigkeit“ gab es eine Auszeichnung ihrer Azubis zu „Energie-Scouts“,
- sowie die Ökoprofit-Zertifizierung des Unternehmens durch die Bergische IHK.
Auch wenn unsere Solingerin des Jahres stolz sein darf auf ihre Erfolge, ist für sie ihr Lebensweg – mit ihren persönlichen Fähigkeiten und dem Elternhaus, in das sie geboren wurde – kein Verdienst, sondern ein Geschenk. Und dieses Geschenk sei mit der Verantwortung verbunden, auch etwas zurückzugeben, sich für Menschen einzusetzen, die unter weniger günstigen Bedingungen leben müssen. So engagierte sie sich viele Jahre als Presbyterin in ihrer Gemeinde, und erst kürzlich qualifizierte sie sich für die Telefonseelsorge. Ganz besonders am Herzen liegt ihr ein Schulprojekt in Afrika. Hier entstanden durch die Unterstützung ihres Unternehmens Schul- und Sanitätsräume für die Kinder einer Primarschule in Malawi. Denn ob in der eigenen Firma oder in Afrika – Ausbildung ist für sie immer von elementarer Bedeutung. Auch wenn unsere Preisträgerin schon manche Auszeichnung erhalten hat, gefällt ihr die Verleihung der silbernen Hexe besonders, hat sie doch als weibliche Minderheit unter Herren schon einiges erlebt. Amüsiert zitiert sie einen Geschäftspartner, der im Verlauf einer Debatte meinte: „Mit so einer Ansicht hätte man Sie doch im Mittelalter als Hexe verbrannt“, und sie bekam bei anderer Gelegenheit zu hören: „Ich verstehe gar nicht, dass man Sie übergangen hat, Sie sind doch so eine hübsche Frau.“ Immer wieder stellt sie fest, wie wichtig auch heute noch das Äußere in der Geschäftswelt ist. Und um sich ganz bewusst von dem Meer grau-schwarzer Anzugträger abzusetzen, hat sie sich für ein individuelles Markenzeichen entschieden: Sie tritt in der Öffentlichkeit regelmäßig im roten Kleid auf.
Liebe Gäste, spätestens jetzt haben vermutlich alle erraten, wem wir heute unsere silberne Hexe verleihen:
Es ist die geschäftsführende Gesellschafterin der u-form Testsysteme GmbH & Co.KG
und Mitinhaberin des Unternehmens, das in Solingen auf dem Gebäude Cronenberger Str. 58 prangt und allgemein bekannt ist als „Druckerei Ullrich“.
Die diesjährige Preisträgerin und Solingerin des Jahres 2022 im roten Kleid ist – Felicia Ullrich!